Natürlich war es auch der Ärztekammer irgendwann einmal peinlich, wenn ihre Mitglieder in Sachen Ernährung zwischenzeitlich weniger wussten als die Durchschnittshausfrau. Und so wurde bereits in den Neunziger Jahren – selbstverständlich in enger Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Ernährung e. V. – eine Fortbildungsmöglichkeit (zum Ernährungsmediziner) kreiert, die alle am Thema Ernährung ganz besonders interessierten Schulmediziner nach erfolgtem Studium nutzen konnten.
Die 100 stündigen ernährungsmedizinischen Kurse finden in speziellen Institutionen der Deutschen Gesellschaft bzw. Akademie für Ernährungsmedizin (DGEM bzw. DAEM) statt und sind innerhalb von fünf Wochenenden erledigt. Damit sich der Aufwand für die gestressten Mediziner auch lohnt, wird dafür gesorgt, dass wirklich jeder die Fortbildungsmassnahme erfolgreich zum Abschluss bringen kann.
Am fünften Wochenende wird eine Prüfung mit 50 schriftlichen Fragen absolviert, von denen lediglich die Hälfte (50 Prozent) richtig beantwortet sein muss und die Beantwortung außerdem noch im Multiple-Choice-Verfahren erfolgt, man also – in vielen Fällen – nicht einmal nachdenken, sondern lediglich ankreuzen muss.
Lehrpläne orientieren sich an überholten Leitlinien.
Obwohl die Lehrpläne vielversprechend klingen, verliert man jede Hoffnung, wenn man sich die pro Thema zur Verfügung stehende Zeit betrachtet. So wird zum Beispiel die Regulierung des Säure-Basen-Haushaltes gemeinsam mit dem Wasser- und Elektrolythaushalt, den Mikronährstoffen (alle Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente) sowie gleich noch den Antioxidantien und sekundären Pflanzenstoffe innerhalb von sage und schreibe zwei Stunden abgehandelt.
Das verblüfft dermassen, dass die einstündige Beschäftigung mit Präbiotika, Präbiotika und Ballaststoffen nur noch resigniertes Kopfschütteln hervorruft. Da die Lerninhalte, Diäten und präventiven Massnahmen auf die deutlich überholten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung DGE abgestimmt sind, ist von ernährungsmedizinischem Fachpersonal derzeit nichts Neues und folglich nichts wirklich Hilfreiches zu erwarten.
Selbstverständlich kennt man sich beispielsweise mit dem Monitoring der Substratzufuhr, den Laborkontrollen, der Dokumentation etc. in der parenteralen bzw. enteralen Ernährung ganz wunderbar aus, derjenige aber, der noch im Besitz von Magen und Darm ist, sollte sich von seinem mit ernährungsmedizinischem Zertifikat geschmückten Arzt nicht viel mehr als die üblichen Schlagworte „fettarm“, „purinarm“, „salzarm“ (je nach persönlicher Indikation) inklusive des mehr als abgedroschenen Begriffes „ausgewogen“ erhoffen.
Ernährungstherapie statt Medikamente?
Da auch das Thema „Ernährungstherapie als Alternative zur medikamentösen Therapie“ auf dem Lehrplan steht (und zwar gleich in der ersten Stunde, so dass noch alle aufgepasst haben dürften), raten wir allen Patienten zu einem Experiment: Bitten Sie Ihren Ernährungsmediziner um die Erstellung eines Ernährungsplanes, der es Ihnen ermöglichen wird, auf die bislang geläufige medikamentöse Therapie zu verzichten. Leider werden Sie sich mit diesem Ansinnen die Zähne ausbeissen.
Wenn dem künftigen Ernährungsmediziner schon in Block 2 der Ausbildung (Thema „Möglichkeiten und Grenzen der ernährungsmedizinischen Prävention“) eingebläut wird, dass sich Ernährung zur Vorbeugung von Krankheiten nur äusserst bedingt eignet, dann ist kaum anzunehmen, dass er auf die Idee kommen könnte, sie gar zur Therapie bereits bestehender Beschwerden einzusetzen. Und das ist auch gut so!
Natürlich können manche Ernährungsweisen wunderbar vorbeugen und selbstverständlich auch heilen. Die den Ernährungsmedizinern gelehrte Ernährungsformen gehören jedoch nicht dazu.
(Neuerdings (erstmals zum Wintersemester 2010/11) wird an den Universitäten für Mediziner ein zusätzlicher Masterstudiengang „Ernährungsmedizin“ angeboten, der mit immerhin vier Semestern veranschlagt ist, so dass man auf die Ernährungstipps künftiger in diese Richtung weitergebildeter Ärzte gespannt sein darf.)
Im nächsten Blog…
einige Beispiele, die von den bedauerlichen und gesundheitsschädlichen, aber leider äusserst weit verbreiteten Wissenslücken vieler Ärzte (inkl. Ernährungsmediziner) zeugen.
Ihr Gregor Kühni feelgood coaching24 team